Sie wird sich schon noch an mich gewöhnen

Shownotes

Eine Frau, die eine andere zur Schwester wählt, ein erfolgreicher Komponist mit einer Uraufführung, ein Spitzenpolitiker, der wiedergewählt werden will, oder eine Frau, die sich nicht über ihre Schwangerschaft freuen kann: So unterschiedlich die Ich-Erzähler in Annette Pehnts neuem Buch auch sind, eines verbindet ihre Geschichten: Sie folgen den Regeln Einfacher Sprache. „Einen Vulkan besteigen“ heißt die Sammlung, die Annette Pehnt im Gespräch mit Patrick Bahners auf der F.A.Z.-Bühne der Frankfurter Buchmesse vorstellt. Eine Sonderfolge des Bücher-Podcasts.

„Einen Vulkan besteigen“ von Annette Pehnt auf der Website des Piper Verlags

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00:00:08: Einen Vulkan besteigen, heißt eine Sammlung von Geschichten der Autorin Annette Pehnt.

00:00:14: Patrick Barnas hat sie auf der FHZ-Bühne der Frankfurter Buchmesse getroffen, um mit ihr über ihr neues Buch zu sprechen.

00:00:21: Eine Sonderfolge des Bücher-Podcasts.

00:00:26: Guten Morgen, meine Damen und Herren.

00:00:29: Herzlich willkommen hier am Stand der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

00:00:35: Bereits die zweite Veranstaltung hier in unserer schönen Café Bar.

00:00:40: an diesem Messevormittag.

00:00:43: Ich freue mich, dass Sie gekommen sind und freue mich natürlich ganz besonders, dass Annette Pehnt zu uns gekommen ist und wir werden über ihr neues Buch sprechen, einen Vulkan besteigen, das im Pipa-Verlag erschienen ist.

00:00:58: Sie kennen Annette Pehnt.

00:01:00: als eine sehr vielseitige Schriftstellerin, die auch immer wieder ihr Publikum mit ihren Experimenten überrascht.

00:01:09: Und das tut sie auch hier in diesem neuen Buch.

00:01:12: Und ich will unsere knappe Zeit jetzt hier gar nicht mit Lebenslauf unseres Gastes hier aufbrauchen, will nur über dieses Buch noch sagen, das ist für einen besonders wichtigen deutschen Buchpreis, den bayerischen Buchpreis.

00:01:29: nominiert ist.

00:01:31: Da werden wir am achtundzwanzigsten Oktober also alle ganz genau verfolgen, wie die Dinge sich da in München entwickeln.

00:01:41: Ja, Frau Pehn, einen Vulkan besteigen, das ist ein Band mit Geschichten.

00:01:46: Und man könnte jetzt schon etwas über das Buch sagen.

00:01:51: etwas darüber sagen, wie Sie diese Geschichten anlegen, wie Sie die geschrieben haben.

00:01:55: Im Nachwort erklären Sie auch ein bisschen was dazu, wie es zu diesem Buch gekommen ist.

00:02:01: Es ist ein sehr ungewöhnliches Erzählverfahren, würde ich sagen, dass Sie da angewandt haben und so ungewöhnlich, dass es, glaube ich, besser ist.

00:02:10: Sie geben uns erst einmal einen Eindruck, indem Sie etwas lesen, anstatt dass ich jetzt dann eine Theorie darüber entwickle.

00:02:18: Und lesen Sie uns doch bitte einen kleine Stück vor.

00:02:21: Ja, danke.

00:02:22: Das mache ich sehr gerne.

00:02:23: Guten Morgen erst mal allerseits.

00:02:26: Vielleicht ein bisschen überraschend, wenn man jetzt die Texte so ganz ohne Vorab-Erklärung dann hört.

00:02:31: Aber wir springen einfach rein in den Anfang der ersten Geschichte.

00:02:38: Das sind sehr kurze Texte, sehr kurze Geschichten.

00:02:40: Und die erste Geschichte heißt jemanden aussuchen.

00:02:47: Seit einigen Wochen habe ich endlich eine Schwester.

00:02:51: Sie heißt Sabrina.

00:02:53: Den Namen habe ich nicht ausgesucht.

00:02:55: Die Schwester schon.

00:02:58: Wir kennen uns seit der Schule.

00:03:00: Sabrina ist genau die Richtige.

00:03:03: Sie kann vieles besser als ich.

00:03:05: Sie singt so schön.

00:03:07: Sie kann auch zeichnen und Gedichte schreiben.

00:03:11: Sie ist künstlerisch begabt.

00:03:13: Aber sie ist auch praktisch verandarkt.

00:03:16: Sie kann Abflussrohre reinigen und Treppenhäuser streichen auf einer hohen Leiter mit Gumminoppen.

00:03:22: Ich weiß das alles.

00:03:23: Schon lange.

00:03:25: Früher hat es mich gestört.

00:03:27: Sabrina hatte immer gute Noten.

00:03:29: Vor allem in Deutsch und Kunst.

00:03:32: Ihre Haare waren länger als erlaubt.

00:03:34: Sie wurde immer eingeladen.

00:03:36: Manchmal wollte ich ihr die Haare abschneiden.

00:03:39: Aber das ändert sich jetzt.

00:03:42: Denn nun ist sie meine Schwester.

00:03:45: Und ich bin stolz auf sie.

00:03:47: Zeig mir deine Bilder, sage ich.

00:03:49: Sie holt die neuen Zeichnungen.

00:03:51: Ich finde sie verrückt.

00:03:53: Und das sage ich auch.

00:03:55: Sabrina freut sich.

00:03:56: Sie versteht, wie ich es meine, weil Schwestern sich eben verstehen.

00:04:01: Ich rufe sie jetzt öfter an, damit wir guten Kontakt haben.

00:04:06: Sie ist jedes Mal überrascht.

00:04:09: Sie muss sich erst an mich gewöhnen.

00:04:11: Sie weiß ja nicht, dass sie meine Schwester ist.

00:04:14: Aber sie wird es merken.

00:04:17: Sie wird auch lernen, auf mich stolz zu sein.

00:04:19: Ich erzähle ihr von meinem Tag, von der Arbeit, von der Pause im Park, dass ich nicht mehr rauche und von dem gelben Kater heute Morgen.

00:04:27: Sie hört eine Weile zu, dann unterbricht sie mich, so wie Schwestern es eben tun.

00:04:33: Sie erzählt von ihrer Lieblingskatze und dass wir keine Tiere halten sollten, weil Tiere frei sein wollen.

00:04:40: Nein, Sabrina, sage ich, manche Tiere können gar nicht frei sein.

00:04:44: Hunde zum Beispiel.

00:04:45: Sie brauchen die Menschen.

00:04:47: Aber Katzen wollen frei sein, sagt Sabrina.

00:04:51: Sie will das letzte Wort behalten.

00:04:53: Ich

00:04:53: reise mich zusammen.

00:04:55: Soll sie doch.

00:04:57: Ich bin großzügiger, als ich dachte.

00:05:02: Vielen Dank, so weit erst mal.

00:05:06: Damit ist diese Geschichte noch nicht beendet.

00:05:10: Obwohl diese Geschichte mit allen anderen Geschichten des Bandes gemein hat, dass sie im Grunde sehr kurz ist, dass sie sehr knapp ist.

00:05:20: Und sie in gewissen Sinne, die Erzählerinnen und sie als Autorin dann auch vieles weggelassen haben.

00:05:26: Aber sprechen wir erst einmal über das, was nicht weggelassen ist?

00:05:30: Und was man dann auch, wenn man die Geschichte hört, natürlich sofort merkt.

00:05:36: Und da können wir dann auch, denke ich, sagen, dass das eben ein Druckturmoment ist, dass das in allen Geschichten so ist.

00:05:42: Die sind in der ersten Person erzählt und es reiht sich dann einen Satz an den anderen.

00:05:48: Ja, da werden sie jetzt schon sagen, das ist ja nicht mehr ungewöhnlich.

00:05:51: Das ist ja in jedem Buch so, also dass man Sätze nebeneinander hat.

00:05:54: gibt es ganz gelegentlich mal in afghanistischen Experimenten, aber eben dann doch sehr, sehr selten.

00:06:00: Aber Sie haben es, glaube ich, schon beim Hören gemerkt, dass hier die Sätze meistens eben auch sehr kurz sind, lakonisch in sich abgeschlossen und dann so einen Satz an den anderen sich reiht.

00:06:15: Und ich will jetzt vielleicht noch eine Sache verraten, die sich nicht von selbst versteht, aber die sehr, sehr schlüssig ist.

00:06:23: wenn sie das Buch auch aufschlagen und zu Gesicht bekommen.

00:06:27: Dieses Buch, die Seiten sehen nämlich so aus.

00:06:30: Das heißt, nach jedem Satz ist ein... Absatz gemacht, sodass, wenn man hört, es ist ein Band mit Kurzgeschichten oder Erzählungen und blättert ihn dann erst mal auf, ohne einen Wort gelesen zu haben, dann ist man erst mal etwas überrascht, glaube ich, kann man schon sagen, wegen dieser Form, eben dieses Zeilenbruchs.

00:06:52: Und eine Assoziation, das wäre jetzt meine erste Frage, eine Assoziation, die man dann haben kann, wenn man sieht, der Text ist so umbrochen, wäre, dass es sich gar nicht um Erzählende Prosa handelt, sondern dass wir es mit Gedichten zu tun hätte.

00:07:08: Ist das sozusagen eine Möglichkeit, die sie dem dem Leser auch naheliegen oder ist das für sie eher etwas dann doch erstörend, wenn man diese Assoziation hat, wenn man das Schriftbild sieht?

00:07:20: Ich denke, das kann man gerne so assoziieren, aber es passt nicht, weil es einfach Geschichten sind.

00:07:25: Und der Grund, dass ich diese Zeilensprünge habe, ist ganz einfach.

00:07:30: Das Strukturprinzip ist ja ein einfaches, nämlich das sind die Spielregeln der einfachen Sprache.

00:07:35: Und die einfache Sprache erfordert, dass man in jedem Satz nur eine Information erteilt und dass jeder Satz eine Zeile bekommt und der nächste Satzanfang in die nächste Zeile kommt.

00:07:46: Und das habe ich einfach konsequent eingesetzt für diese Geschichten.

00:07:50: Trotzdem, ich beneide Lyrika innen und wäre sehr gerne selber eine, aber das ist es erzählte Prosa, aber eben mit diesen Spielregeln der Vereinfachung und dieser Zeilenstruktur.

00:08:05: Ja, jetzt lassen Sie uns auch noch ein bisschen über diese erste Figur, die wir so ein ganz bisschen kennengelernt haben, diese Erzählerin, die da von ihrer plötzlich ihr zugelaufenen oder ausgedachten Schwester erzählt.

00:08:26: Wie würden Sie selbst sagen, wie lernen wir diese Person kennen, indem wir... Ihr Folgen, in dem sie in einem Satz nach dem anderen die Geschichte der Schwester erzählt?

00:08:39: Eigentlich erzählt sie ihre eigene Geschichte, nämlich eine Geschichte der Einsamkeit.

00:08:43: Da sehen sie nach einer Gefährtin.

00:08:45: Die selbstverständlichsten Gefährtin, die wir so haben, sind Geschwister mit allen Konflikten, die das auch bedeuten kann.

00:08:52: Da sie keine hat, entscheidet sie sich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, sich eine auszusuchen.

00:08:58: und sozusagen diese Beziehung zu erklären oder zu projizieren.

00:09:03: Aber jetzt das Erzählverfahren ist ja so, dass ich das nicht erklären kann, weil dafür gibt es gar keinen Platz in diesen kurzen Geschichten, sondern dass man das sozusagen miterleben muss, Zeile für Zeile, wie sie versucht sich dieser anderen Frau, die sie ja noch nicht mal besonders gut kennt, anzunehren, mit ihr zusammen zu sein, mit ihr Zeit zu verbringen.

00:09:20: Also auch, das hat sicherlich auch was Übergriffiges.

00:09:22: Aber es wird eben nie gewertet und nie erklärt, weil ich das in diesen Geschichten nicht machen kann und will.

00:09:32: Sie haben gesagt, dass Sie eben sich hier überlegt haben, sich diesen Regeln der einfachen Sprache, also einer Variante des Deutschen, die sozusagen nach eigenen Regeln funktioniert, um Zugänglichkeit zu verbessern, um Verständlichkeit zu erhöhen.

00:09:59: Das ist ja jetzt eine Variante des Deutschen, die zunächst einmal auch ihren sozialen Sinn hat in insyktionellen Abstrakten.

00:10:11: Kontexten, also bis hin auch in unserer Sphäre der Kultur.

00:10:16: Zum Beispiel in Museen gibt es jetzt mittlerweile Museen, die eben ihre Beschriftungen auch in dieser einfachen Sprache anbringen.

00:10:27: Und hier haben wir jetzt Personen, die von sich selbst, ohne das natürlich auch zu wissen zu können, es ja nicht so, dass eine von ihren Erzählerfiguren sich mal überlegt hätte, oh, es gibt diese einfache Sprache, jetzt könnte ich mal anfangen.

00:10:40: mein Leben in dieser Form zu erzählen.

00:10:42: Also sowas kommt selbstverständlich überhaupt nicht vor, dass der Begriff einfache Sprache kommt, eben erst in diesem Nachwort.

00:10:49: Und ich habe das Buch gelesen, bevor ich dann das Nachwort gelesen habe.

00:10:53: Ich gebe zu, der Begriff der einfachen Sprache, der flog mir dann auch mal so zu, wiederum als Assoziation.

00:11:02: Aber das ist wirklich eben dieses bewusste Experiment ist.

00:11:05: Das habe ich erst ganz am Ende erfahren.

00:11:07: Was für mich jetzt erstmal heißt, das Experiment funktioniert.

00:11:09: Literare.

00:11:10: weil man, wenn man nicht schon bei der vierten Geschichte denkt, okay, man hat es jetzt verstanden und dann kommt jetzt dann nochmal die Geschichte in der Variante, die Busfahrt, ja, dann werden die Dinge auch sehr einfach dargestellt und so.

00:11:20: Und ich will mal einen Eindruck einfach kurz wiedergeben, es ist ja dann doch, es ist einfache Sprache, aber es ist großer Reichtum vor allem dessen, weil das, weil dann man doch den Eindrucker natürlich bleiben, Dinge ungesagt, aber es wird eben alles auch in Sprache ausgedrückt.

00:11:37: Es fehlt eigentlich den Person nicht an Artikulationsfähigkeit trotz dieser Beschränkungen der einfachen Sprache.

00:11:45: Ja, Sie müssen sich eben dann anders artikulieren.

00:11:48: Also reduzierte Sprache ist ein Kunstmittel und wurde ja immer auch schon so eingesetzt.

00:11:53: Da bin ich ja jetzt nicht der Erste.

00:11:55: Aber dadurch, dass ich diese Regel mir selber auferlegt habe, treibe ich das ein bisschen auf die Spitze.

00:12:00: Und dann ist es eben sozusagen eine Frage der Ästhetik.

00:12:03: Glaubt man daran, dass reduzierte Mittel alles hervorbringen können oder bedauert man das was sie nicht hervorbringen können?

00:12:10: und ich würde halt sagen sie können alles hervorbringen und zwar auf eine andere Weise als jetzt so eine füllige reiche barockesprache vielleicht auf eine auf eine existenziellere Weise weil es keinen drum herum reden mehr gibt.

00:12:24: es gibt keine verpackung.

00:12:26: die figuren müssen das benennen was sie tun und was sie denken und zwar genau und einfach beziehungsweise ich tue das natürlich als erzählerin.

00:12:36: Das heißt, man kann nicht ausschweifen, es gibt keine Rückblicke.

00:12:40: Es gibt schon vieles nicht, was wir so gewöhnt sind vom klassischen Erzählen.

00:12:43: Das geht dann hier nicht.

00:12:44: Aber das zwingt mich als Autorin auch noch mal anders über das Erzählen nachzudenken und diese Geschichten anders zu erzählen.

00:12:51: Und das wollte ich eigentlich ausprobieren.

00:12:53: Und als ich damit angefangen hatte, konnte ich auch nicht mehr aufhören.

00:12:56: Ich fand das dann so reizvoll, mir das selber zu verschreiben und diese Figuren trotzdem aber eben so zu erkunden, wie es eben mit diesen einfachen, wenigen präzisen Mitteln möglich war.

00:13:07: Und ich fand dann, dass es mich woanders hinführt als das übliche Schreiben.

00:13:13: Schon aus dem Deutschunterricht ist uns ja die Figur des Ich-Erzählers oder der Ich-Erzählerin bekannt.

00:13:20: Und wenn man das so im Deutschunterricht hört und dann vielleicht auch mit Begeisterung die entsprechenden Texte liest, ja dann scheint erstmal nicht selbstverständlich zu sein.

00:13:29: Aber in Wirklichkeit ist es ja so, dass das eigentlich sehr voraussetzungsreich und in gewissen Sinne unwahrscheinlich ist, dass ein Leben abgebildet wird, komplett verwandelt wird in Sprache und dann halt in der ersten Person erzählt wird, dann von einer erfundenen Figur, der ja aber ja ein ganzes Leben angedichtet wird, das aus sehr viel anderem als Sprache besteht.

00:13:51: Und ich fand eben hier so unglaublich faszinierend, dass dann diese eigentlich prinzipiell jetzt erst mal ganz einfach und bekannte Technik.

00:14:00: Man könnte auch von Monolog sprechen.

00:14:02: Man könnte sich auch Lesungen vorstellen, wo Schauspieler und Schauspielerinnen die Texte vorlesen.

00:14:07: Dann würde man sagen, Annette Pindert, eine Serie von Monologen geschrieben.

00:14:13: Und dass das eben doch so eine Glaubwürdigkeit so entfaltet, während es beim Roman ja doch manchmal so ist, dass man sich sagt, ja gut, jetzt haben wir so viele gerade auch Gedanken gehört, diese Form des inneren Monologs, das ist ein Gedankenfluss abgebildet.

00:14:27: fragt man sich dann manchmal, naja, so viele Gedanken, wenn ich so über die Buchmesse gehe, kommen mir eigentlich gar nicht.

00:14:32: Warum haben eigentlich die Romanhelden immer so viele Gedanken?

00:14:35: Und jetzt ist ja das Literarische das eine, und das andere ist aber, es werden schon auch ja Vorstellungen erweckt, was sind das für Personen?

00:14:43: Vielleicht könnte man sagen, um es jetzt nicht literarisch zu beschreiben, die führen Selbstgespräche.

00:14:50: Und beim Selbstgespräch ist es ja so, ich glaube, jeder wird es kennen.

00:14:55: Aber dass da auch so eine gewisse Vorstellung im Alltag mit verbunden ist, wer Selbstgespräche führt, der ist so ein bisschen am Rande der Gesellschaft, der hat eigentlich die Gefahr, dass er Bewahrung und er hat ein Tick.

00:15:08: Er ist ein bisschen kurios, der spricht mit sich selbst und ist sozusagen so einen halben Schritt ausgetreten aus der Normalität.

00:15:16: Haben Sie von Ihren Figuren auch den Eindruck, dass die sozusagen, dass solche Beschreibungen da was treffen?

00:15:23: Nee, ich muss Ihnen also ein bisschen widersprechen.

00:15:25: Für mich sind das auch keine Monologe und keine... Es sind Geschichten aus der Ich-Perspektive, wie wir das kennen, nur eben mit einer vereinfachten, reduzierten Sprache.

00:15:34: Und dann war mein Versuch, eigentlich genau nicht Figuren mehr auszudenken, von denen wir denken, die denken in einfacheren Kategorien, weil das natürlich ein absoluter Stereotyp ist, sondern eigentlich wollte ich die ganze Bandbreite von Menschen in unserer sozialen Welt, die wir so beobachten, die wir vielleicht kennen oder von denen wir Varianten kennen, in diesen Geschichten einfangen.

00:15:59: Darum sind es auch so viele.

00:16:01: Das sind eigentlich sehr unterschiedliche Figuren.

00:16:03: Das sind natürlich auch Figuren, die, wenn man so will, sich eher am Rand des Geschehens bewegen.

00:16:10: Es sind aber auch Figuren, die meine Erfahrungen teilen, zum Beispiel von... von Mutterschaft, es gibt in erfolgreichen Komponisten mit seiner U-Aufführung, es gibt einen Spitzenpolitiker, der wiedergewählt werden will.

00:16:24: Es gibt aber auch eine schwangere Frau, die sich nicht über ihre Schwangerschaft freuen kann und einen alten Mann, der hinfällt und nicht mehr aufsteht.

00:16:30: Also es gibt diese ganzen kleinen Szenen des Erlebens unseres Miteinanders.

00:16:37: in unserer heutigen Welt.

00:16:38: Hoffe ich, das war jedenfalls das, was ich wollte.

00:16:41: Und nicht nur sozusagen komische Vögel am Rand, denn ich glaube, was Rand und Mitte ist, ist sowieso nicht so klar.

00:16:47: Und wenn wir uns umschauen und den Blick etwas weiten, sind da eine Menge sehr unterschiedliche Existenzen und Biografien versammelt.

00:16:54: Und die wollte ich ein bisschen einfangen auch mit diesen Geschichten.

00:16:58: Ja, vielen Dank.

00:17:00: Das ist wirklich auch sehr wichtig, dass Sie das so beschreiben, um hier in der Abkürzung auch dann doch einen Eindruck des Reichtums der Figuren zu geben, weil in der Tat, ich will nicht sagen, dass Sie da falsche Pferden gelegt haben, es ist vielleicht eher so, dass man auch als Leser ... vielleicht dann sich auffährten begibt, die man in Wirklichkeit selber ausgelegt hat und die mehr so den eigenen mitgebrachten Vorstellungen und Vorurteilen entsprechen.

00:17:25: In der Tat ist es dann eben so, dass man zum Beispiel dann diesem Der Figur dieses Bundeskanzlers, der dann im Bundeskanzleramt am Wahltag abwartet, dass die Wahlergebnisse reinkommen, eben begegnet.

00:17:37: Und ja, sich dann vielleicht auch denkt, ja, also dieser Bundeskanzler, der lebt dann eigentlich auch nicht so viel anders als andere Personen, die davor kommen in dem Buch, die zum Beispiel in einem Großraumbüro arbeiten, wo die ganzen Arbeitsabläufe, aber auch die sozialen Abläufe... sehr stark konventionalisiert sind und sozusagen jeden jeden Tag immer wieder den gleichen Verlauf nehmen, sodass auf der einen Seite man in dieser Art von Routine sich hinein begeben kann und auf der anderen Seite aber aber da auch so eine Unruhe sich ergeben ergeben kann, dass man sich eigentlich daraus hinaus trauen.

00:18:18: Da ist der Bundeskanzler oder wäre die Bundeskanzlerin in der gleichen Rolle, wie eben auch diese scheinbar Unglücklicherinnen und Einsammeren.

00:18:28: Ja, genau.

00:18:28: Und es gibt schon Situationen, für die diese Sprache auch sozusagen inhaltlich dann, glaube ich, sehr gut geeignet ist.

00:18:35: Also eben, wie Sie sagen, so sich wiederholende Abläufe.

00:18:37: Es gibt zum Beispiel eine meiner Lieblingsgeschichten, Behandel von einem Kind, das ganz feste Strukturen braucht.

00:18:43: Könnte sagen sie sozusagen auf dem autistischen Spektrum.

00:18:46: Und alles, was abweicht, irritiert sie zutiefst.

00:18:49: Und die Sprache kann dann diese, diese sich immer wiederholenden Vorgänge eben sehr schön erzählen, weil Wiederholung eben auch ein Mittel ist, das ich sehr oft nutze.

00:18:58: Und wofür es auch ziemlich gut geeignet ist, ist so ganz dramatische.

00:19:03: Ereignisse zu erzählen, ohne dass man jetzt in Pathos abdriftet oder in Rührung, Verrührung zerfließt.

00:19:10: Also ich konnte zum Beispiel auf diese Weise zum ersten Mal über den Tod meines Vaters erzählen.

00:19:14: Das ist was, was ich sonst nicht gut beschreiben kann und auch nicht darüber sprechen kann.

00:19:19: Und hier mit dieser einfachen Sprache und diesen einfachen Benennungen.

00:19:22: konnte ich das natürlich dann so ein bisschen fiktionalisiert ganz gut in der Geschichte bringen.

00:19:27: Auch dafür ist es eine Form, die einem ermöglicht, vielleicht etwas zu sagen, dass mit komplizierteren Formen vielleicht nicht so einfach zu benennen ist.

00:19:38: Ja, das kann man vielleicht auch noch erwähnen.

00:19:40: Sie merken, im Wesentlichen müssen wir jetzt so kleine Schlaglichter setzen in der Hoffnung.

00:19:48: Sie einfach hier sehr neugierig zu machen auf die große Vielfalt, die dann doch in diesem scheinbar einfachen Verfahren eben erreicht werden kann.

00:19:58: Und Stichwort Vater.

00:20:00: Also ein widerkehrendes Thema sind Generationen, also das Geschwister.

00:20:07: Thema, die gleiche Generation, wäre sozusagen eine horizontale Achse, auf der sich einiges abspielt.

00:20:14: Da gibt es einige Geschichten.

00:20:16: Es gibt aber immer wieder auch diese vertikalen Achsen, wo es dann um das Verhältnis von Eltern und Kindern sei es Kinder, auch jetzt im Sinne von noch lebensgeschichtlich Kinder, heute, auch deren Sicht kommt vor, sei es bereits erwachsen oder selber älter geworden Kinder, die mit ihren ganz alten Eltern oder bereits mit ihren verstorbenen Eltern in gewissen Sinne kommunizieren.

00:20:38: So dass, ja, Sie merken, ich schwärme hier, aber ich glaube aus guten Gründen, halt über dieses Buch, dass man eben solche Dinge, die einem dann so durch den Kopf gehen, ist wie, ja, auf der einen Seite hat man dann, hat man eine kleine Zeit, Ausschnitte nur.

00:20:53: Also durch dieses Verfahren, Sie haben es glaube ich diese ersten Geschichte schon entnehmen können.

00:20:57: Es wird Einsatz an den anderen gereiht und das heißt die Zeit, in der dann das passiert, was geschieht, wo der eine Satz nach dem anderen der Person durch den Kopf geht.

00:21:07: Das ist sehr knapp.

00:21:08: Das können dann ein paar Stunden sein.

00:21:12: Es geht, glaube ich, nie oder fast nie über einen Tag überhaupt hinaus.

00:21:16: Aber trotzdem in diesen kleinen Schritten, Schritten auch der Recapitulation wird dann eben doch auch diese große Zeit und dieser Lebenszeit eingeholt.

00:21:25: Das ist doch das Tolle, was Texte einfach auch können, oder?

00:21:27: Also diese kleinen Kapseln herstellen und wenn man diese Kapseln sorgfältig bearbeitet, ist in so einer kleinen Zeitkapsel, in so einer kleinen, engen, festen Sprachkapsel, kann eben sehr viel enthalten sein.

00:21:39: Und die eigentliche Arbeit ist, nicht sozusagen das groß und lang zu machen, sondern es zu verdichten.

00:21:44: Und da fühle ich mich dann schon der Lyrica-Innen vielleicht verwandt, dass ich da dann versuche, so eine Intensität der Sprache herzustellen.

00:21:52: Und das ist sozusagen die große Arbeit dann.

00:21:56: Ja, Sie haben auch angedeutet, dass dieses lakonische schlichte Erzählverfahren durchaus auch eine Möglichkeit gibt, sehr gravierende, erschütternde, verstörende Vorgänge zum Thema zu machen und auch entsprechende Ereignisse.

00:22:13: Und auch da gibt es ein Spektrum in den Geschichten, da insofern durchaus im Sinne der klassischen Kurzgeschichte dann dann auch wiederum in einem Spektrum aufgefächert, was das Ende angeht.

00:22:25: werden also Geschichten lesen, wo sie in ganz klassischen Sinne die Spannung steigt, ein Vulkan besteigen, eine dieser Geschichten hat dann auch den Buch den Titel gegeben und dann werden sie sozusagen an den Höhepunkt herangeführt.

00:22:38: Ja, mehr sage ich jetzt erstmal nicht, aber auch diese Effekte, das vielleicht auch dann manchmal ist offen bleibt, was passiert, aber eben doch... Es ist dann schon auch etwas Dramatisches passiert.

00:22:50: Auch das wird in diesem Spektrum dieser Möglichkeiten dieses Verfahrens hier eingeholt.

00:22:58: Und eins will ich auch noch loswerden als Lesereindruck, wo für mich dann auch so ein Moment von Spannung und Neugier fast ein bisschen Detektivisches mitspielte, weil sie gerade die Geschichte von dem Komponisten erwähnten.

00:23:12: Ich kann da jetzt gar nicht, weil bald schon hier wir die Bühne frei... machen müssen für das nächste Programm.

00:23:18: Allzu viel ins Detail gehen, nur sagen, das ist auch eine meiner Meinung nach.

00:23:22: besonders lustige Geschichte, weil das auch mal schön ist, sage ich jetzt als Kulturjournalist, einen Kulturschaffenden sozusagen von innen zu beobachten.

00:23:29: Was geht dem denn durch den Kopf, während ein Werk Uhr aufgeführt wird?

00:23:34: Und jetzt muss ich etwas verraten.

00:23:36: Vielleicht spricht es jetzt für ungenaues oder nur zerstreutes Lesen.

00:23:42: Aber mir war bei der Geschichte nicht klar, dass der Komponist ein männlicher Komponist sein soll.

00:23:50: Und das wäre noch mal so ein eigenes Thema, ob es sozusagen die Art des Erzählens, ob man es vielleicht naheliegt, ist sozusagen geschlechtlich als eher typisch zuzuordnen, aber das will ich jetzt eher einklammern als irgendwie, weil es keine These von mir eigentlich sein soll.

00:24:07: Ich wollte jetzt nur über die Geschichten sagen, dass das natürlich auch finde ich zur Faszination beiträgt, dass wir diese eine Person hören, die spricht von sich, sagt ich, dann fallen Namen und dann kommen Begriffe zum Beispiel wie Bruder und Schwester.

00:24:20: wo ja dann die beschriebene Person ein eindeutiges Geschlecht hat.

00:24:24: Aber das Geschlecht der Person, die spricht, geht daraus ja nicht davor.

00:24:27: Und ich glaube, es gibt auch Geschichten, wo es im Grunde offen bleiben kann.

00:24:30: Ja genau, das kann man ja bewusst zur Hand haben, ob man das so geschlechter Marker einsetzt oder nicht.

00:24:35: ich tue das oft gerne nicht.

00:24:36: Und dann ist aber natürlich der Kurzschluss, der, also nicht der Kurzschluss, der, der Rückschluss, der Lesen sind oft.

00:24:43: Ah, es ist eine Autorin und die hat natürlich, und da gibt es einen ich und das muss man irgendwie zusammendenken, weil wir so eine autofiktionale Erzählweisen gewöhnt sind, werden dann oft Figuren als weiblich gelesen, die es vielleicht gar nicht sind.

00:24:54: Und überhaupt ist das mit den Geschlechtermarkern ein interessantes Feld.

00:24:57: Das führt uns aber, glaube ich, in sehr weite andere Fragen.

00:25:01: Ja, dann müsste man dieses Gespräch, Sie merken, wir könnten hier über dieses Buch noch sehr viel weitersprechen, könnten uns noch mal sehr viel genauer über diese einzelnen Geschichten beugen.

00:25:16: Aber das soll jetzt hier nicht geschehen, denn Sie sollen auch ein bisschen durchatmen dürfen, bevor dann eben hier das nächste literarische Gespräch zu einem ganz anderen Thema stattfinden wird.

00:25:29: Ich möchte Ihnen nur am auch nochmal eine persönliche Empfehlung da, damit auf den Weg gehen.

00:25:38: Ich glaube, wenn Sie das Buch, sofern Sie es noch nicht gelesen haben, wenn Sie das lesen wird, könnte es sehr gut sein, dass es Ihnen geht wie mir, dass dann mit der Zeit Sie selber sich in so eine Figur verwandeln, die eigentlich auch das, was Sie gerade tut, in einer solchen Form berichten.

00:26:00: Also auch das glaube ich, ich habe eben ein Stichwort Selbstgespräch schon gebracht.

00:26:06: Das kennt glaube ich auch jeder von uns, dass man manchmal in Routinen hineinkommt, wo man unnötigerweise, denkt man dann, im Kopf nochmal das wiederholt und selber beschreibt, was man eigentlich tut.

00:26:19: geht es mir jedenfalls so, dass ich denke, da bin ich jetzt dabei, kurz davor verrückt zu werden, weil das doch eigentlich nicht nötig ist.

00:26:25: Und mir, das sage ich jetzt einfach nur als meinen persönlichen Eindruck, als ich eben dieses Buch gelesen habe, habe ich an vielen Stellen dann gedacht, na ja, so verrückt ist man eigentlich gar nicht, wenn man bei allem Versuch, immer sich sozial hier zu integrieren, beim eigenen Arbeitgeber, in der eigenen Familie und so weiter, wenn man dann doch eben auch so eine solide lebt, wo man ohne es eigentlich zu merken, auch über das über das eigene Leben eine Art von Rechenschaft abzulegen.

00:26:55: Ja, Frau Pehnt, Sie schauen sehr kritisch auf das, was ich jetzt als Letztes hier vorgetragen habe.

00:27:01: Ich finde das eine riskante Deutung, aber interessant auf jeden Fall.

00:27:04: Vielen Dank.

00:27:08: Ich danke jedenfalls Ihnen, dass Sie uns hier so viel berichtet haben, dass wir in Ihren Werkstatt und Ihren Werkstattkasten hineinschauen durften.

00:27:16: Wir wünschen Toi Toi Toi für den bayerischen Buchpreis und sind auf Ihren nächsten Buch natürlich genauso gespannt.

00:27:21: Vielen Dank, Frau

00:27:22: Piet.

00:27:22: Danke schön.

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