Welche Rolle spielen Anwälte in Buchverlagen?
Shownotes
Wie viel eigene Erfahrung steckt in Caroline Wahls neuem Roman „Die Assistentin“? Und wie wird man in Zürich auf das Buch reagieren? Das hatten schon vor Erscheinen des Romans gleich mehrere Medien gefragt oder darauf hingewiesen, dass man „Die Assistentin“ beim Diogenes-Verlag sicher besonders aufmerksam lesen werde. Denn dort – das kann man auch auf Wikipedia nachlesen – hat die Autorin selbst einmal als Assistentin gearbeitet. Wer das Romanmanuskript allerdings vor Erscheinen geprüft und auf mögliche Parallelen zwischen Wirklichkeit und Fiktion abgeklopft hatte, die das Persönlichkeitsrecht verletzen könnten, war der Justiziar des Rowohlt Verlags, in dem „Die Assistentin“ erschienen ist. Das ist kein ungewöhnlicher, es ist ein in vielen Buchverlagen längst routinierter Vorgang.
Welche Rolle spielen die Anwälte der Verlage bei der Publikation von Romanen? Wie sehr ist es üblich geworden, vor der Veröffentlichung juristisch auf Nummer sicher zu gehen? Und was passiert, wenn Büchern der Prozess gemacht wird?
Das sind die Fragen, denen diese Sonderfolge des Bücher-Podcasts nachgeht. im Gespräch mit Rainer Dresen, Justiziar bei Penguin Random House, der zuletzt im Namen seines Verlagshauses den Schriftsteller Christoph Peters vertreten hat, als der von dem Galeristen Johann König und dessen Frau verklagt wurde. Und mit Helge Malchow, lange Jahre Verleger des Literaturverlags Kiepenheuer & Witsch in Köln, heute dort Editor at Large, der die bekannten gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Verbotsantrag gegen Maxim Billers Roman „Esra“ begleitet hat.
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Transkript anzeigen
00:00:08: Es ist eindeutig, dass in diesem Roman mehr Erfahrungen drin stecken als in den vorherigen.
00:00:14: Aber trotzdem glaube ich, dass Charlotte das Schicksal, kein Einzelschicksal ist, von dem ich erzähle.
00:00:19: Und vor allem ist Charlotte das Geschichte auch nicht meine Geschichte.
00:00:23: Aber ich wollte unbedingt jetzt so einen Roman schreiben, der in der Verlagswelt spielt, weil ich da eben so viele Erfahrungen gemacht habe.
00:00:29: Und natürlich schreibt man darüber dann am liebsten.
00:00:33: In einer
00:00:34: langen Schlange stand in der vergangenen Woche die Besucherinnen und Besucher vor dem Babylonkino in Berlin Mitte, die sich für die Buchpremiere der Schriftstellerin Caroline Waal ein Ticket gekauft hatten.
00:00:45: Sie warteten auf Einlass, die Veranstaltung war ausverkauft, das Interesse riesig.
00:00:51: Und wie in vielen Interviews, die die beste alle Autorinnen zu ihrem neuen Roman die Assistentin bis zu diesem Zeitpunkt schon gegeben hatte, sollte auch an diesem Abend der autofiktionale Charakter des Buchs zur Sprache kommen.
00:01:03: Die Assistentin spielt in der Verlagsbranche.
00:01:06: Die Hauptfigur Charlotte bewirbt sich um den Job der persönlichen Assistentin eines Verlegers.
00:01:11: Und Caroline Wal, das kann man auch in ihrem Wikipedia-Antrag nachlesen hat, bevor sie zur Erfolgsautorin wurde, selbst in der Buchbranche gearbeitet.
00:01:22: Unter anderem als Assistentin des Verlegers Philipp Kehl, der den bekannten Zürcher Diogenes Verlag von seinem Vater geerbt hat.
00:01:30: Wie viel eigene Erfahrung steckt in Caroline Walz' neuem Roman?
00:01:35: Und wie wird man in Zürich auf das Buch reagieren?
00:01:38: Hatten schon vor erscheinend gleich mehrere Medien gefragt und darauf hingewiesen, dass man die Assistentin bei Diogen ist, sich ja besonders aufmerksam lesen werde.
00:01:49: Das mag so sein.
00:01:50: Wer das Romanmanuskript allerdings vor erscheinend gleich zweimal geprüft und auf mögliche Parallelen zwischen Wirklichkeit und Fiktion abgeklopft hatte, die das Persönlichkeitsrecht verletzen könnten, war das Justizariat des Rohwaldverlags, in dem die Assistentin erschienen ist.
00:02:08: Das ist kein ungewöhnlicher, es ist ein in vielen Buchverlagen längst routinierter Vorgang.
00:02:14: Welche Rolle spielen die Anwälte der Verlage bei der Publikation von Romanen?
00:02:20: Wie sehr ist es üblich geworden, vor der Veröffentlichung juristisch auf Nummer sicher zu gehen?
00:02:25: Und was passiert, wenn Büchern der Prozess gemacht wird?
00:02:29: Das sind die Fragen, denen ich in dieser Sonderfolge des FAZ Bücher Podcast nachgehen will.
00:02:35: Eingeladen habe ich dazu Helge Malcho, lange Jahre Verleger des Literaturverlags Kiepenheuer und Witsch in Köln, heute dort editor et large.
00:02:45: der die bekannten gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Verbotsantrag gegen Maxim Billers Roman Esra begleitet hat.
00:02:53: Und Rainer Dresen, Justizjahr bei Penguin Random House, der zuletzt im Namen seines Verlagshauses den Schriftsteller Christoph Peters vertreten hat, als der von dem Galeristen Johann König und dessen Frau verklagt wurde.
00:03:08: Herzlich willkommen im FAZ Bücher Podcast.
00:03:11: Mein Name ist Julia Inkel und ich freue mich, dass Sie dabei sind.
00:03:17: Ich freue mich jetzt mit Rainer Dresen zu sprechen.
00:03:19: Rainer Dresen ist Rechtsanwält, Justizjahr der Verlagsgruppe Penguin Random House, ein Experte für Persönlichkeitsrecht und seit vielen Jahren Kenner der Buchbranche.
00:03:29: Herr Dresen, herzlich willkommen im FAZ Bücher Podcast.
00:03:33: Vielen Dank für die Möglichkeit, mich hier mit Ihnen zu unterhalten, Freike.
00:03:36: Der Roman, die Assistentin von Caroline Waal, ist bei der Konkurrenz erschienen.
00:03:41: Im Rohwald Verlag haben Sie den Roman dennoch gelesen.
00:03:45: Also zuerst eine Klarstellung.
00:03:46: Konkurrenz in der Verlagsbranche gibt es nicht wirklich.
00:03:50: Die Verlegerin von Rohwald war lange Jahre bei uns als Programmleitung tätig.
00:03:54: Der Geschäftsführer für Finanzen ist aktuell unser CEO.
00:03:58: Das heißt, es gibt eine freundschaftliche Verbundenheit eigentlich mit allen großen Verlagen.
00:04:03: Dann tauscht man sich möglicherweise aus sogar darüber?
00:04:06: Ja, man tauscht sich auch durchaus aus.
00:04:07: Wobei, bei manche Themen spricht man dann nicht.
00:04:09: Und das war ein offenes Geheimnis, dass es bei Rohwald bald diesen Bestseller geben wird.
00:04:14: der ja vorher beim anderen Verlag erschien.
00:04:16: Bei Dimo weiß ein bisschen, wie die Agenturlandschaft so war, dass sie, glaube ich, den Agenten auch gewechselt hat oder den Agenturvertrag gekündigt.
00:04:25: Also man wusste, was die Branche erwartet.
00:04:27: Und auch deshalb habe ich den Roman mir am ersten Tag gleich auf mein Kindle hochgeladen, um ihn so schnell wie möglich zu lesen.
00:04:36: durchaus auch mit beruflichem Interesse.
00:04:38: Man wusste also ein bisschen von den juristischen Dingen, die da eine Rolle spielen könnten.
00:04:44: Ja, vor dem Hintergrund, dass Caroline Wal selbst einmal Assistentin in einem bekannten Buchverlag war und die Gefahr bestehen könnte, dass Personen, die in der Öffentlichkeit bekannt sind, glauben könnten, sich wiederzuerkennen.
00:04:56: Hätten sie der Autorin geraten, ihn so zu veröffentlichen?
00:05:00: Ich hätte vielleicht in einer idealen Welt gesagt, dass sie im Vorfeld dieses dritten Romans vielleicht etwas weniger über die reale Situation gesprochen hätte.
00:05:09: Das hat sie ja nach dem ersten Buch und nach dem zweiten Buch gemacht, ohne damals vielleicht schon zu planen, an dieses dritte Buch zu veröffentlichen.
00:05:15: Das heißt, es gibt einige Interviewpassagen.
00:05:18: die, wie Sie ja selber schon sagten, Frau Enkenahl legen, dass vieles von dem, was im Buch als Rahmenhandlung vorkommt, so oder so ähnlich von Frau Wahl erlebt wurde.
00:05:27: Sie war nun mal Assistentin eines Verlages in Zürich, was aber hauptsächlich durch die Interviews von Frau Wahl bekannt wurde, nicht aus dem Buch selber bekannt wurde.
00:05:36: Da hätte ich vielleicht gesagt, im Vorfeld, wenn man alles gewusst hätte, vielleicht etwas weniger Interviews führen, aber das hat nicht wirklich geschadet, weil, und das möchte ich ausdrücklich sagen, die juristische Prüfung dieses Buchs hervorragend war, Was ich der beteiligten, befassten Juristin von Rohvold auch schon kollegial versichert habe, aber das war meine erste Handlung, nachdem ich es gelesen hatte, ihr eine Mail zu schreiben und zu gratulieren, weil sie hier, das sieht man natürlich als Jurist, sehr viel geglättet, überarbeitet hat und das einfach sehr, sehr gut gelungen ist meines Erachtens.
00:06:07: Ja, ich war in Berlin bei der Buchpremiere von Caroline Waal, die sagte dann auch selber, dass sie nicht zu den Autorinnen gehört, die sich gut bändigen lassen und sie kennen das ja selber sicher auch, verlage können.
00:06:19: schwer kontrollieren, was Autoren, Autorinnen in Interviews sagen oder in den öffentlichen Auftritten.
00:06:25: Manche sind da vielleicht auch besser zu kontrollieren als andere.
00:06:29: In meiner Wahrnehmung ist die Assistentin auch deshalb eigentlich eine universelle Geschichte, weil sie zwar in einem Buchverlag spielt, die Verlagsfeld aber eigentlich gar nicht so eine große Rolle spielt.
00:06:42: Erzählt wird eher eine Mitu-Geschichte, die man auch in einer Bank oder sich auch in einem Unternehmen in ganz anderen Arbeitszusammenhängen vorstellen könnte, ist das aus juristischer Perspektive ein wichtiger Punkt oder ein Kriterium, dass es sozusagen nicht konkurrent ist?
00:07:00: Ja, da führen Sie genau einen richtigen Punkt an.
00:07:03: Letztlich bei einer juristischen Prüfung, dass Buches zu der es nicht kommen wird aus vielen Gründen, kein Verlag klagt gegen einen anderen Verlag, das ist völlig klar.
00:07:12: Aber da hätte das eine große Rolle gespielt, nämlich bei der sogenannten kunstspezifischen Betrachtung.
00:07:17: Selbst wenn es personell einige Vergleichbarkeiten gibt zwischen dem fiktiven und einem möglichen realen Verleger.
00:07:23: Am Schluss hätten die Gerichte geprüft.
00:07:25: ob hier kunstspezifisch betrachtet eine Rechtsverletzung vorliegt.
00:07:29: Und da wird die Frage gewesen, wie stark wird im Roman von der konkreten Situation abstrahiert, inwieweit gelingt es der Autor, in eine allgemeingültige Geschichte zu erzählen.
00:07:39: Und das ist genauso, wie Sie sagen, das hat eigentlich mit dem Verlagsumfeld ganz wenig zu tun.
00:07:44: Hier wird tatsächlich eine Geschichte pass pro Toto.
00:07:47: beschrieben, die in ganz vielen anderen Branchen funktionieren könnte.
00:07:50: Und das wäre der entscheidende Aspekt auch für die Gerichte, die sagen würden, hier ist tatsächlich eine literarische Verfremdung eingetreten, aber um ein Ziel zu erreichen, das nicht racher ist, sondern eine Darlegung von toxischen Beziehungen, von üblichen Abläufen.
00:08:06: Genau das ist tatsächlich aus meiner Sicht auch gelungen in diesem Buch.
00:08:10: Und gibt es, wenn Sie das so juristisch lesen, gibt es bestimmte Merkmale, die Aus Ihrer Perspektive die Fiktionalität des Romans besonders markieren?
00:08:20: Wenn man das Buch durchliest, merkt man, manche Dinge sind vermutlich bewusst verfremdet.
00:08:25: Die Autorin sagt ja in Ihren Interviews vor dem Buch, also sie hat ja Interviews zum Buch parallel geführt, da sagt sie sehr, sehr kenntnisreich.
00:08:33: dass sie nicht die Autorin ist, d.h.
00:08:34: dass die Autorin nicht die Charlotte des Buches ist.
00:08:37: Also da ist völlig klar, dass sie differenziert.
00:08:40: In den Interviews der letzten Jahre sagte sie, ja, ich habe in Zürich als Assistentin in einem Verlag gearbeitet.
00:08:46: Natürlich spielt der Roman nicht in Zürich, sondern in München.
00:08:50: Der Verleger, um den es geht, ist im Roman blond, hat kindlange Haare und eine deutliche Narbe.
00:08:56: Da muss sie sehr drüber lachen, weil das ist ein Kunstmittel, das sich in Romanen gerne mal anwenden oder in Manuskripten, dass die Personen ganz ganz anders aussehen, als ein vielleicht sich vorzustellen, das Vorbild aussieht.
00:09:08: Ich kenne keinen Verleger mit einer deutlichen Narbe.
00:09:10: Immer wenn aber der Verleger im Roman vorkommt, stellt man sich den Herrn mit einer deutlichen Narbe vor.
00:09:15: Viel mehr Verfremdung geht gar nicht.
00:09:17: Dann ist der Verlag im Roman ein gekaufter Verlag, aber dem nur renommierter Verlag genannt.
00:09:22: Und den hat der Roman Verleger gekauft und nicht etwa geerbt.
00:09:27: Also man merkt genau, wie hier an der Realität entlang.
00:09:31: gearbeitet und verfremdet wurde.
00:09:33: Dann ist es nicht so schlimm, dass es Beispiele gibt, die ähnlich sind oder Aspekte.
00:09:37: Der Verlag ist in Realität wie im Roman Inhaber geführt.
00:09:41: Der Verleger ist selber Autor.
00:09:44: Der Verleger ist Mittelalt, ein Aspekt, über den ich etwas geschmunzelt habe.
00:09:48: Im Roman steht noch drin, dass auch die Programmleitung in der Zeit, in der die Assistentin dort war, gekündigt hat.
00:09:56: Es gibt durchaus auch da Parallelen zur Realität, die aber den normalen Lesern nicht interessieren.
00:10:01: Das ist eher was für die Verlagsbranche, wo man so ein bisschen schmunzelt.
00:10:04: Ich kenne auch die Kolleginnen, die im realen Verlag damals gekündigt hat.
00:10:08: Aber das hat mit der Betrachtung und mit der Rezeption des Buches gar nichts zu tun.
00:10:13: Vielleicht können Sie uns ganz allgemein mal einen Einblick geben, wie man sich Ihre Arbeit, nämlich die des juristischen Lektorats, das ja irgendwie immer wichtiger wird, zumindest habe ich den Eindruck, wie man sich diese Arbeit vorstellen muss und wie auch die Zusammenarbeit aussieht mit Autorinnen und Autoren und ihnen.
00:10:32: Also ich muss auch ganz offen sagen, das ist der schönste Teil meiner Arbeit und der meiner Kolleginnen, ich habe eigentlich nur auch nur Kolleginnen im Verlag, wenn wir lesen dürfen.
00:10:40: Das heißt, wenn wir uns ganz nah ans Lektorat ranbegeben und Bücher in ihrer kompletten Entstehungsgeschichte begleiten dürfen.
00:10:47: Ein Beispiel, letzte Woche rief mich die Sachbuchverlegerin eines Programmbereichs an und sagt, dass sie hatten ein Programmangebot bekommen.
00:10:55: was ich davon halte.
00:10:57: Dann fragst du mich schon bei der Akquise, vor der Akquise, ob dieses Buch aus juristischer Sicht überhaupt möglich wäre.
00:11:02: Es geht um einen aktuellen Prozess, der geführt wird, der medial stark berichtet wird, ob es möglich ist, darüber zu berichten.
00:11:09: Das heißt, wir werden schon gefragt bei manchen Büchern, ob man die überhaupt ins Programm nehmen könnte und was wir dann immer machen, in verschiedensten Entstehungsstadien die Texte zu lesen.
00:11:18: Das heißt, wir lesen den ganzen Tag, wir lesen im Wochenende, wir haben ja was, Fünfzig, Sechzig, Manuskripte, die wir... prüfen und die wir dann in der Abteilung besprechen, mit den Lektoraten besprechen und auch immer wieder mit den Autoren und Autorinnen.
00:11:33: Also wir sind sehr, sehr nah am Lektoratsprozess dran und das ist, glaube ich, mittlerweile unabdingbar in allen Verlagen.
00:11:41: Ich habe vorhin schon erwähnt, zuletzt haben sie für ihr Verlagshaus den Schriftsteller Christoph Peters vertreten, der Berliner Galerist Johann König und dessen Ehefrau waren gegen Peters Roman innerstädtischer Tod vorgegangen, weil sie sich darin wiederzuerkennen glaubten.
00:11:56: Und in Peters Roman geht es... eben um einen Jungen Künstler, der heißt Fabian Kolb, der kurz vor dem Durchbruch steht und sich den prominenten Galeristen im Roman Konrad Ras bevertreten wird.
00:12:09: Und dessen Ausstellungsräume befinden sich in einer ehemaligen Kirche.
00:12:13: Und auch die Galerie von Johann König, das weiß man, befindet sich in Berlin in einer ehemaligen Kirche, haben sie vor der Veröffentlichung des Romans mit Christoph Peters darüber diskutiert.
00:12:23: Er hätte ja theoretisch auch keine Kirche nehmen können, sondern ein ganz anderen Ort war das Thema.
00:12:30: Ja, das ist ein sehr schönes Beispiel.
00:12:32: Ich habe mich mit ihm sehr intensiv darüber unterhalten.
00:12:35: So erst habe ich es schriftlich vorgetragen.
00:12:37: Dann kann man extra in den Verlag, um mir zu erklären, dass das absolut nicht möglich ist, was ich ihm da ansinne.
00:12:43: Und ich habe gesagt, aber es ist doch überhaupt nicht relevant für den Roman, wo die Galerie angesiedelt ist.
00:12:49: Und in Wirklichkeit gibt es einen Galeristen, der in einer in einer profanisierten Kirche seine Galerie-Räumlichkeiten betreibt.
00:12:57: Genau dieser Galeris-König, wo ich dachte, nicht dass der gegen dieses Buch vorgeht.
00:13:01: Und zuerst war Herr Peter wirklich entsetzt, dass man ihm in seinen Text rein rede, hat mir dann aber erklärt.
00:13:06: warum es ihm so wichtig war.
00:13:08: Am Beispiel der profanisierten Kirche wollte er mir zeigen, wie das Verschwinden der Religion in der Gesellschaft versintbildlicht werden kann, was auch bei Köppen bereits ein Thema war.
00:13:20: Also ihm war sehr, sehr wichtig, dass aus einer Kirche eine Galerie wird als Zeichen für das Verschwinden der Religion.
00:13:26: Weil ich sage dem Ursprünglich, machen Sie halt einen Kunstbunker draus, der berühmte Borus Kunstbunker in Berlin und macht keine Ärger, weil er ansonsten mit dem Buch nichts zu tun hat, hat Resen auf gar keinen.
00:13:36: Hat er mir das erklärt, da kann man selber draufsteuern, ich liebe ihn natürlich.
00:13:40: Dann hat er gesagt, wir lassen die Kirche, aber wir machen aus dieser profanisierten Brutalisten-Styl-Kirche aus den siebziger Jahren eine Kirche, die hundert Jahre vorher gebaut wurde.
00:13:51: Nämlich im viktorianischen Stil hat er mir Beispiele gezeigt, wie die Deckenkonstruktion aussieht.
00:13:57: Und das war bei Gericht tatsächlich ein relevanter Faktor.
00:14:00: Interessant war, dass es dem Auto gar nicht darauf ankam, die reale Kirche zu schildern, sondern tatsächlich diesen Aspekt der Religion.
00:14:06: Und so haben wir nach langen Diskussionen eine konstruktive Lösung gefunden, die juristisch aber auch relevant war, war viele Gerichtsentscheidungen oder zwei, drei von den vier haben darauf sich bezogen und haben gesagt, das ist ein wichtiger Unterschied zur Realität.
00:14:19: Aber das war natürlich ein Glanzpunkt der juristischen Arbeit mit einem so... Kenntnisreichen Literaten, ein Slektoratsgespräch zu gehen.
00:14:28: und ich glaube mittlerweile haben wir auch ein sehr enges Verhältnis und ich bin auch aktuell dabei sein neuestes Buch durchzulesen und ich bin sicher, dass er da vielleicht eher mir erklären wird, was er eigentlich vorhatte.
00:14:38: Das war ein schönes Beispiel für enge Zusammenarbeiten mit den Autoren.
00:14:42: Wobei es natürlich Heikel ist, wenn man sagt, nehmt lieber keine Kirche, sondern den Kunstbunker in Berlin, da könnte sich natürlich der Nächste wiedererkennen.
00:14:50: Aus so vielerum anderen Gründen.
00:14:52: Ja, das
00:14:52: ist genau das Thema.
00:14:53: Also das ist ein wirklich ein Heikler-Gradwanderung, die mir als Jurist hat.
00:14:57: Und als Jurist sagt man halt, mach halt die Haare an oder ich hätte vielleicht auch Caroline Wahl gesagt, mach halt eine Frau aus dem Mann, um sicherzugehen.
00:15:03: Es gibt auch Frauen, die gerade in der Verlagsbranche, die dominant auftreten.
00:15:07: Ich glaube, das hätte die Autorin nicht mit sich machen lassen.
00:15:10: Genau, darüber hat sie auch gesprochen.
00:15:12: Das kann doch nicht so wichtig sein.
00:15:14: Und dann müssen die Autorinnen und Autoren den Juristen erklären, was sie eigentlich wirklich bezwecken mit ihrer Kunst.
00:15:20: Gibt es genauso viele juristische Elektorate bei Sachbüchern wie bei Romanen?
00:15:25: Wie muss man sich das vorstellen?
00:15:27: Eigentlich sind die Sachbücher in der Mehrzahl, weil Sachbücher eigentlich immer problematisch sein können.
00:15:33: Sachbücher müssen zutreffen sein.
00:15:35: Und die Kunstfreiheit streitet nicht für Sachbücher, sondern greift nur die Pressefreiheit.
00:15:41: Und die ist stärker gerichtlichen Überprüfungen unterzogen.
00:15:46: Da muss tatsächlich alles wahr sein und es darf auch niemand drin vorkommen, der das nicht will oder prominent ist.
00:15:51: Also wir prüfen viel, viel mehr Sachbücher als wir Romane prüfen.
00:15:54: Aber auch Romane werden... nach Esra immer heutiger geprüft und gerade gibt es einen Trend zur autofiktsionalen Literatur.
00:16:02: Und viele Romane sind in der Möglichkeit eigentlich verkappte Biografien, wie man auf die Art und Weise etwas literarischer formuliert.
00:16:10: Also da sind wir sehr, sehr bemüht, in den Lektoraten noch klar zu machen, auch Romane müssen juristisch geprüft
00:16:16: werden.
00:16:17: Hatten Sie denn schon mal Fälle, wo ein Sachbuch während der Arbeit am Anuskript aus juristischen Gründen dann zum Romanum deklariert wurde, weil hier die Kunstfreiheit gilt?
00:16:28: Also ich muss zugeben, dass ich diese Idee ab und zu mal hatte und ein Beispiel, ich nenne es nicht den Namen, ein bekannter Kolumnist hat mal ein Buch über seine Trennungsgeschichte bei uns angeboten.
00:16:40: Und ich habe das durchgelesen, als Sachbuch, kam es an und habe gesagt, was sagt denn Ihre Frau zu diesen ganzen Geschichten?
00:16:46: Warum sich Ihre Frau gerne von Ihnen trennen wollte?
00:16:49: Und dann sagte der Autor, ja, die findet es nicht so richtig gut.
00:16:52: Ja, aber dann geht das ja eigentlich auch nicht.
00:16:55: Und pünktlich kurz danach, das Buch war angekündigt in den Vorschauen, gab es auch schon einen Anwaltsbrief, wo drin stand, wenn Sie das machen, wären Sie ganz böse verklagt.
00:17:03: Daraufhin habe ich dem Autor empfohlen, doch einen Roman daraus zu machen, mit der Formulierung Roman und auch mit einer Vorbemerkung, die lautet, ich habe es gerade vor mir, dieses Buch ist ein Werk der Fiktion.
00:17:14: Jede Endlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
00:17:19: Und das hat offenbar ausgereicht, weil ich von dem Anwalt nie mehr Post bekommen habe.
00:17:23: Dann war lustig, der Autor hat dieses Buch auch bei der Bildzeitung einen Vorabdruck gehabt.
00:17:27: Die haben es als Sachbuch beworben und dagegen ging dann der Anwalt vor.
00:17:31: Also hier hat es mir geholfen.
00:17:34: Nicht so richtig geholfen hat es in einem anderen Fall, wo wir mal versucht haben und gerade auch kürzlich einen bekannten Fall aus der Öffentlichkeit.
00:17:39: Da geht es um eine Podcast darin und einen Comedian.
00:17:42: Da war uns ein Sachbuch angeboten worden und ich habe gesagt, es geht auf gar keinen Fall.
00:17:46: Das ist einfach zu heikel.
00:17:48: Das geht allenfalls als Roman.
00:17:50: Da haben wir uns dann lang drüber unterhalten, unter welchen Bedingungen man daraus einen Roman machen könnte, hat letztlich nicht funktioniert, weil wir uns da nicht einig werden konnten und die Autoren immer wieder in den Bereich realer Erzählungen abgetrifftet ist.
00:18:03: Es klappt nicht immer, aber es ist ein Versuch, der ab und zu mal bewagt wird.
00:18:09: Das heißt... Es ist auch nicht so, dass man immer zueinander kommt.
00:18:12: Es gibt auch Bücher, die gar nicht erscheinen Geschichten, die nicht geschrieben werden oder zumindest in einem Verlagshaus nicht.
00:18:18: Dann versucht man, jeder Autorin, jeder Autor noch die Möglichkeit, einen anderen Verlag zu suchen.
00:18:23: Aber es gibt auch Geschichten, die vielleicht von vornherein gar nicht erscheinen.
00:18:30: Also auch da ein Beispiel ganz aktuell.
00:18:33: Ich habe ihn jetzt auch ein bisschen verklausuliert.
00:18:36: Eine Geschichte, die gerade bei uns veröffentlicht wird, diese Tage.
00:18:39: da geht es um die persönlichen Erfahrungen einer jungen Frau in einer Familie voller AfD-Funktionäre.
00:18:45: Die hat sich bei der Familie gelöst.
00:18:47: und will aber darüber berichten, wie unerträglich für sie die Situation war.
00:18:52: Und sie bringt die Thesen der AfD in Verbindung mit konkreten familiären Vorkommnissen.
00:18:56: Ich habe das gelesen und gesagt, das geht auf gar keinen Fall.
00:18:58: Es geht nicht.
00:18:59: Die Familie ist nicht bekannt, keine Promis, keine prominenten, prominenten Funktionäre.
00:19:02: Aber dann sagten die im Lektorator und auch ich, aber das ist so ergreifend und so so wichtig, weil man damit eine ganz andere Leserschaft erreicht, die sich vielleicht mit AfD-Themen schon beschäftigt, aber nicht mit diesem persönlichen Zugang.
00:19:14: Das heißt, wir haben gerungen und gerungen viele, viele Stunden mit der Autorin, welche Änderungen ihr zumutbar sind.
00:19:21: um die Klagenmöglichkeit der Familie zu beschränken.
00:19:25: Also da haben wir sehr um meinen Text gerungen und das war ein paar Mal davor, dass vielleicht auch die Autorin sagte, meine Güte, das will ich nicht.
00:19:31: Und auch ich sagte, wir gehen da ein Risiko ein.
00:19:33: Jetzt haben wir eine Textfassung, die vielleicht noch ein paar kleine Risiken hat, aber es lohnt sich, meines Erachtens nicht dagegen zu klagen, aber das Buch wird erfolgreich werden.
00:19:41: All das zeigt, wie wir da oft an die Grenze gehen mit einem riesenzeitlichen Aufwand.
00:19:45: Die Autorin fühlte sich wahrscheinlich von uns auch gestresst ein bisschen.
00:19:50: Aber wenn es in Erfolg wird, dann hat sich dieser Aufwand tatsächlich gelohnt und dann gehen wir so oft wie es können.
00:19:54: Es lohnt sich oft, fast immer und das klappt auch fast immer.
00:19:57: Aber im einen Beispiel, was ich genannt habe, da kam mir überein, dass es wahrscheinlich nicht funktionieren wird, weil das Buch zu sehr mir als Abrechnungsbuch vorkam.
00:20:06: Da fehlte das, was Sie gerade vorher sagten, die Objektivierung dieses Pars pro Toto.
00:20:11: Das war kein Fall der über den Einzelfall hinaus.
00:20:15: glaubwürdig erschienen wir zumindest nicht.
00:20:16: Und das Lektorat und die Verlegerin folgten dann diese Einschätzung.
00:20:19: Und dann hat man sich friedlich getrennt, die Autorin kann diesen Text anderweitig verwerten.
00:20:24: Also ich wünsche viel Glück, vielleicht klappt es ja aber anders.
00:20:27: Ab und zu klappt es dann eben nicht, dass wir alle Kompromisse eingehen, die nötig sind.
00:20:32: Ein
00:20:32: anderer
00:20:33: aktueller Fall ist ja, dass in Hamburg gerade der spektakuläre Strafprozess gegen die Stackhouse-Unternehmerin Christina Block geführt wird und sie soll mehreren israelischen Ex-Sicherheitskräften den Auftrag gegeben haben, zwei ihrer Kinder aus dem Haus ihres Ex-Mannes in Dänemark zu entführen.
00:20:49: Ihr heutiger Lebensgefährte, der Sportjournalist Gerard Delling, sowie weitere Beschuldigte sollen dabei geholfen haben.
00:20:55: Alle streiten die Vorwürfe ab.
00:20:56: Und jetzt kam raus, dass am thirteenthen Oktober, zwanzig, dreien, zwanzig wenige Wochen vor der Entführung im Verlag Langen-Müller ein Roman von Delling erscheinen sollte.
00:21:07: Der Titel eigentlich völlig unromanhaft, allein im Kampf um meine Kinder, Entführung, Entfremdung.
00:21:14: Systemversagen, wobei hier, glaube ich, eine andere Entführung aus anderer Perspektive gemeint ist.
00:21:20: Und es gab schon ein Cover, der verlagmachte Werbung dafür und zog das Buch dann vor Erscheinen zurück.
00:21:27: In welcher Weise ging es auch hier um ein Sachbuch, das man nur umdeklariert hat, oder?
00:21:30: Ich finde schon allein der Titel klingt gar nicht nach Roman.
00:21:33: Das glaube ich auch, aber auch das war nicht wirklich gut durchgeführt.
00:21:36: Also das war juristisch nicht, man war nicht gut beraten, wobei ich auch interessant finde, ich kenne den Verleger, man kennt sich ja den Herrn Fleißner, der ist sehr, sehr wagemotig, also der traut sich wirklich viel, der veröffentlicht viele Bücher, die juristisch sehr erkenntnisreich geprüft wurden.
00:21:49: Und wenn der dann wahrscheinlich nach Konstellation in seinen Juristen gesagt hat, das veröffentlicht ich nicht, dann war da vielleicht tatsächlich etwas dran.
00:21:57: Das Interessante an der Sache ist insgesamt, dass es jetzt ein Sachbuchstoff geworden ist durch diese mediale Befassung, dadurch dass die Gegner ein Argument, der auch alle bekannt wurden durch den Prozess.
00:22:07: Es wird zu diesem Thema sicherlich Sachbücher geben und es gibt auch schon einzelne Projekte, die da zirkuliert werden in der Branche.
00:22:13: Also man wird sicherlich zu dem Thema auch in der Buchbranche noch lesen, aber diese Romanität von Herrn Delling, die hat nicht gut funktioniert, vorsichtig gesagt.
00:22:23: Aber das Manuskript wird das Gericht.
00:22:25: oder würde das Gericht sich interessieren, wenn es zur Verfügung stünde?
00:22:31: Ich kann mir auch vorstellen, dass Sie schon beim langen Müllervorlagen nachgefragt haben und da sagt er freiwillig, warum?
00:22:35: Man müsste ja schon einen Durchsuchungsbeschluss oder sonst was machen, das ist wirklich sehr kurios.
00:22:39: Da werde ich auch mal ein bisschen fragen, weil ich sage, man kennt Sie so ein bisschen, was die Hintergründe sind.
00:22:43: Also freiwillig würde ich sowas auch als Verlag nicht rausgeben.
00:22:46: Das ist nicht unsere Aufgabe, da die Ermittlungsbehörden über Gebürze unterstützen und potenzielle Autoren oder in dem Fall reale Autoren in Schwierigkeiten zu bringen.
00:22:54: Da muss sich die Ermittlungsbehörde oder das Gericht andere Ideen machen oder andere Gedanken machen, als jetzt einfach mal freundlich nachzufragen.
00:23:03: Genau, ich habe vorhin mal bei langen Müller angerufen und nachgefragt.
00:23:06: Die geben natürlich nichts raus und geben auch keine Auskunft.
00:23:10: Haben Sie, Herr Dresen, selber mal überlegt, einen Roman zu schreiben?
00:23:14: Da treffen Sie einen wunden Punkt.
00:23:16: Ich habe ab und zu überlegt.
00:23:17: Ein Buch habe ich auch schon so ein bisschen formuliert mit dem Arbeitstitel der Verlagsmanager.
00:23:21: Das ist ein Insider-Joke.
00:23:23: Aber ich habe festgestellt, Verlagsabläufe interessieren die Menschen außerhalb von Verlagen, glaube ich, nicht so sehr, wie die Verlagsleute das denken.
00:23:29: Also fast zu dem, was Sie vorher sagten.
00:23:32: Verlage sind wahnsinnig spannend, von ihnen betrachtet, von außen.
00:23:35: Ist gar nicht so.
00:23:36: Also mal gucken, ob ich dazu noch komme.
00:23:38: Die Personen, die da drin vorkommen, sind alle schon nicht mehr aktiv, sodass ich da vielleicht jetzt tatsächlich... Aber das ist dann mehr.
00:23:44: was für die Rente.
00:23:46: Die sollten es trotzdem juristisch prüfen lassen.
00:23:48: Unbedingt.
00:23:48: Ich habe gute Mitarbeiterinnen in der Abteilung.
00:23:51: Die werden es für mich prüfen.
00:23:52: Vielen Dank.
00:23:53: Vielen Dank für das Gespräch.
00:23:54: Ganz herzlichen Dank, dass Sie Gast waren im FAZ-Bücherprass-Gast.
00:23:58: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch auch von meiner Seite.
00:24:00: Wiedersehen.
00:24:04: Es gibt einen Fall... Rainer Dresen hat es eben beiläufig genannt, der in der Frage von Persönlichkeitsrecht, Literatur und Kunstfreiheit Rechtsgeschichte geschrieben hat.
00:24:13: Es ist der Fall Esra.
00:24:15: Maxim Billers Roman Esra ist in dem Jahr im Verlag Kiepenhäuer und Witz erschienen und wurde verboten, weil er die Persönlichkeitsrechte von Billers Exfreundin verletzte, indem er intime Details und eine eindeutig erkennbare Darstellung von ihr in einer fiktiven Figur verarbeitete.
00:24:32: Nach einer Klage wurde das Buch durch Gerichtsentscheidungen, die vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurden, nicht mehr zur Veröffentlichung freigegeben, da die Verletzung der Intimsphäre und das Persönlichkeitsrecht als zugaravierend angesehen wurde.
00:24:47: Esra ist nach Klaus-Mans Mephisto der zweite Roman in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der zum Gegenstand einer höchst richterlichen Abwägung zwischen der grundgesetzlich zugesicherten Kunstfreiheit und dem ebenfalls im Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrecht wurde.
00:25:04: Dabei sind die Spielräume und Grenzen dessen neu definiert worden, was der Literatur erlaubt und was ihr verboten ist.
00:25:12: Ich begrüße jetzt denjenigen, der diesen Fall als Verleger über Jahre begleitet hat.
00:25:18: Helge Malcho vom Verlag Kiepenhäuer und Witsch.
00:25:21: Schön, dass du im FVZ Bücher-Podcast hier im Studio in Berlin bist.
00:25:25: Helge, du warst im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr, im Jahr?
00:25:41: Bielte das in eurer Art zu arbeiten?
00:25:45: Keine Rolle.
00:25:46: Habt ihr was geahnt?
00:25:47: Ehrlich gesagt nicht.
00:25:49: Keine
00:25:49: Ahnung, bevor das Buch erschienen ist.
00:25:52: Das war eine klassische Lektoratsarbeit an einem Roman.
00:25:57: Das war mir selbstverständlich klar, dass in das Roman geschehen und in die Geschichte, die in Esra erzählt wird.
00:26:04: Erfahrungen aus dem Leben des Autos eingeflossen sind, so wie das bei allen Romanen der Fall ist, die man in der Weltgeschichte liest.
00:26:13: Und es war deswegen auch eine große Überraschung, dass dann wir mit Klagen konfrontiert worden sind, mit denen wir uns dann über viele Jahre auseinandersetzen mussten.
00:26:24: Denn wir waren nicht nur überrascht, als die Klagen begannen, sondern wir waren auch der Auffassung innerhalb des Verlages, innerhalb des Lektorats und innerhalb der Kollegen, die mit dem Projekt zu tun hatten, dass diese Klagen unberechtigt sind.
00:26:44: Deswegen sind wir auch juristisch gegen diese Klagen vorgegangen, haben immer wieder auch in die nächste Instanz versucht, Revisionen zu erreichen, sind durch viele Instanzen gegangen, haben sehr viele Erfahrungen gemacht mit der deutschen Rechtsprechung, mit Richtern, die Literatur lesen oder die keine Literatur lesen.
00:27:04: Zum Schluss sind wir dann beim Bundesverfassungsgericht gelandet, wo dieses Urteil ja dann ergangen ist gegen... Eine der beiden Klägerinnen, der man recht gegeben hat.
00:27:15: Die zweite Klägerin wurde abgewiesen.
00:27:18: Das vergisst man manchmal auch.
00:27:20: Das war die Mutter der Freundin.
00:27:21: Genau,
00:27:22: also es gab eine Tochter und eine Mutter.
00:27:25: Die Klage der Mutter wurde zurückgewiesen.
00:27:27: Entgegen allen Instanzen zuvor.
00:27:30: Und wir haben dann mit einem Urteil zu tun gehabt, am Schluss, das hoch spannend war, weil es, glaube ich, ein... Stimmenverhältnis von drei zu zwei waren, das heißt drei Verfassungsrichter.
00:27:42: Ganz knappe Entscheidungen.
00:27:43: Und es gab auch einen Minderheitengutachten der beiden Verfassungsrichter, die dagegen votiert haben.
00:27:50: Und dieses Minderheitsvotum ist deswegen interessant, weil es genau die Rechtsauffassung formuliert, die der Verlag von Anfang an gehabt hat, dass es sich kurz gesagt um einen Roman handelt, das heißt um ein Kunstwerk, dass man dieses Kunst Werkhafte an diesem Roman klar erkennen kann und so klar erkennen kann, dass dieses schriftstellerische, dichterische Dimension des Textes den Ausschlag dafür gegeben hat, dass wir keine Probleme daran sahen, dieses Buch zu veröffentlichen.
00:28:25: Es hat ja dann eine lange Geschichte seitdem gegeben, wo immer wieder auch gefordert worden ist, dass man dieses Urteil auch... Rückgängig machen sollte bzw.
00:28:39: dass jetzt mittlerweile eine Situation eingetreten ist, in der eine Reihe der Argumente des Bundesverfassungsrichts eigentlich nicht mehr gelten.
00:28:46: Das ist jetzt ein spezielles Thema, weil sich auf Menschen bezieht, die damals einen gewissen Grad an Erkennbarkeit hatten, der heute nicht mehr gegeben wäre.
00:28:57: Dass es sich um eine Persönlichkeitsmerkmale eines Kindes handelt, dass heute kein Kind mehr ist und so weiter.
00:29:06: eine ganze Reihe von Punkten, wo man sagen könnte, da könnte man auch dieses Urteil jetzt nochmal neu aufrollen.
00:29:11: Aber bis heute ist es so, auf der einen Seite, dass ich dieses Urteil für falsch halte und auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass das Urteil Stilbilden bzw.
00:29:22: ein Referenzurteil geworden ist für viele Auseinandersetzung, die in Folge dessen zwischen Literatur und Persönlichkeitsrechten immer wieder ausgebrochen sind.
00:29:31: und man griff dann immer wieder zurück, die Richter auf dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
00:29:37: Genau, das ist genau die Frage, die mich interessiert.
00:29:40: Mit dem Esraurteil verbindet sich ja auch eine lange Debatte über Kunstfreiheit, Literatur und auch den Umgang mit autofiktsionaler Literatur.
00:29:49: Und inwiefern würdest du sagen, dass ich... das verändert hat.
00:29:54: Das seit Ezra, das ist jetzt über zwanzig Jahre her, also war es im Jahr two-thausend drei, als der Roman erschienen ist und dann verboten wurde.
00:30:03: Ich konnte ihn noch lesen, aber ich glaube, man kann ihn auch lesen und sich besorgen.
00:30:07: Es gibt Raubdrucke
00:30:10: und natürlich gibt es in allem Netz.
00:30:13: Das ist übrigens auch ein Punkt, dass im Grunde haben solche Urteile mittlerweile kaum noch einen Effekt haben für diejenigen, die das Buch lesen wollen.
00:30:22: Der Verlag wird dann nichts daran verdienen, aber unter der Hand kann man sich erst mal besorgen.
00:30:27: Trotzdem, wie würdest du sagen, hat sich auch im Verlag die Arbeit verändert, ist das so etwas, ein Fall, auf dem man sich immer wieder bezieht, auch in der Diskussion intern in Verlagen.
00:30:40: Na ja, erstmal ist dieser Begriff autofiktionale Literatur, den du gerade erwähnt hast, ein Begriff, der dann eigentlich erst in den Jahren danach aufgetaucht ist.
00:30:48: Auch Bücher, die man unter dieses Label zusammenfasst, sind eigentlich erst später eher in Mode gekommen bzw.
00:30:56: haben eine Rolle gespielt.
00:30:57: Aus dem gibt es diese sehr umfangreiche Memoaren-Literatur.
00:31:03: Also immer mehr Bücher interessanterweise.
00:31:07: Das hat aber nichts mit diesem Urteil zu tun, weil Esra eigentlich für mich ein klassischer Roman ist, mit nach allen Kriterien, die man anlegen müsste.
00:31:17: Ein Roman, in dem eine Figur vorkommt, die einen anderen Namen trägt als der Schriftsteller Maxim Biller, die gewisse autobiografische Gemeinsamkeiten hat mit diesem Schriftsteller, aber das ist alles noch nicht autofiktionale Literatur, sondern autofiktionale Literatur.
00:31:34: Darunter verstehe ich eine Literatur, die sich mit diesem Spiel oder dem Verhältnis von biografischem Ich- und Erzählerfigur im Zentrum beschäftigt.
00:31:46: Und das ist dieses Buch eigentlich nicht.
00:31:48: Hätte man jetzt vorher bei der ganzen Pop-Literatur, die du ja auch verlegt hast, hat man ja auch nicht von autofizionaler, da spielt dir dieser Brief noch keine Rolle, autofizionaler
00:31:56: Literatur.
00:31:56: Interessanterweise hat sich, wenn man heute den Büchermarkt anschaut, also fast eine dritte Kategorie von Büchern etabliert.
00:32:06: Wenn man die Spiegelbesselliste anschaut, hat man ja immer links die Beletristik-Tabelle und rechts das sogenannte Sachbuch.
00:32:13: Aber zwischen diesen beiden Genres oder diesen beiden Buchtypen gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Büchern, in denen, sagen wir mal, das Fiktionale und das authentische oder autobiografische oder reale Erfahrungssubstrat in einem engeren Verhältnis zueinander befinden, als das bei der klassischen Belethristik und beim klassischen Sachbuch der Fall war.
00:32:39: Man kann manchmal gar nicht unterscheiden.
00:32:41: Wir sitzen manchmal bei Manuskripten, die wir veröffentlichen, zusammen im Verlag und überlegen uns welcher, das ist ein technischer Vorgang, welcher Warengruppe.
00:32:50: ein Buch jetzt eigentlich zuzordern, ist das muss ein Verlag immer angeben, weil danach wird dann auch sortiert, sollte es erfolgreich sein, ob es auf der linken Seite, der Spiegelbesserliste oder auf der rechten Auftrag.
00:33:00: Genau, also ob Romabilitistik oder Sachen.
00:33:02: Genau, also das entscheiden eigentlich die Verlage mittlerweile, indem sie dann sagen, das gehört zu dieser, aber das ist oft sehr, sehr schwierig zu entscheiden, gerade mit einem Buch zu tun von... Bettina Flitner, die über einen Roman geschrieben hat über eine tragische Geschichte ihrer Familie und vor allem ihrer Mutter.
00:33:24: Das ist ein Nachfolgebuch über ihre Schwester, das vor zwei Jahren erschienen ist.
00:33:31: Vor zwei Jahren waren wir noch der Meinung, das ist so ein in-between Text, der hat literarische Dimension im Vordergrund steht, aber dass die Autoren eine wahre Geschichte erzählt und deswegen steht gar nichts drunter.
00:33:45: Mittlerweile hat sich das aber bei ihr weiterentwickelt und wir haben jetzt gesagt, es ist ein Roman, auch aus gutem Grund.
00:33:54: Aber es wird immer schwieriger.
00:33:56: Es gibt eine größere Gruppe von Büchern, die so zwischen diesen beiden Welten existieren.
00:34:02: Und hat natürlich dann auch was mit der Sprache zu tun.
00:34:04: Also wenn wir zum Beispiel jetzt den französischen Schriftsteller Edouard Louis nehmen, der schreibt glaube ich immer über erst den Vater, die Mutter, die Schwester und natürlich immer über sich und das glaube ich schon klar ist, dass sein Leben ist.
00:34:16: Aber da würde man tatsächlich allein von der A zu schreiben, also das Wie, immer sagen, das ist Literatur.
00:34:23: Also darum geht es ja auch.
00:34:24: Genau, also das ist der entscheidende Punkt, auf den ich immer wieder zurück komme bei diesen Diskussionen.
00:34:30: Ich glaube, bei einem Schriftsteller, der weiß, was er tut, sind und sollten die Signale im Text und um den Text herum so klar sein bei der Abfassung des Textes, bei der Präsentation des Textes.
00:34:45: dass für den Leser erkennbar ist, dass es sicher um einen belletristischen, fiktionalen Text handelt oder um ein autobiografisches Buch, das diesen Anspruch nicht erhebt.
00:34:56: In diesem Falle treten auch alle juristischen Regeln in Kraft, die z.B.
00:35:02: mit Persönlichkeitsrechten zu tun haben, dass man in der Öffentlichkeit niemanden herabsetzt, beleidigt, ein Falsches über jemanden behauptet, Intimsphäre zerstört, was auch immer.
00:35:13: Im Falle eines elektristischen Textes, wenn das klar ist, wenn, da gibt es zum Beispiel solche Signale wie ein X-Claimer, der vorrangestellt wird.
00:35:22: Dieses Buch ist ein Blatt der Fiktion und so weiter.
00:35:25: Aber das ist nicht das Entscheidende.
00:35:27: Das Entscheidende ist die Art des Erzählens.
00:35:31: Wenn im Vordergrund und wenn klar ist für den Leser und für die Rezipienten, dass es um ein Kunstwerk geht, das in Anspruch hat, universelle Themen auf ästhetischer Art und Weise zu behandeln und nicht das Leben konkreter einzelner Menschen darzustellen, die möglicherweise zu deservoieren oder zu loben oder zu hassen, sondern Material höchstens zu verwenden aus dem Leben von Menschen, wer soll das nicht können und tun, mit dem dann eine Mutation stattfindet, mit diesem Material, an dessen Ende ein Kunstwerk entsteht, das ganz andere Leseerwartungen befriedigt oder erfüllt als ein Sachbuchtext.
00:36:17: Und das ist meine Position bis heute, wenn das klar ist, wenn das für ein... durchschnittlich gebildeten Laser erkennbar ist.
00:36:27: Und wenn die Signale des Verlages durch die Art, wie es verpackt ist, die Art, wie es rezipiert ist, auch, dass die Literaturkritik doch überschreibt, dass es wirklich ernst genommen wird als Roman, dass der autane Struktur des Erzählens entwickelt, die erkennbar nicht darauf zielt, konkrete Menschen zu deservoieren oder in der Öffentlichkeit bloßzustellen, sondern... ein Text zu entwickeln, der nach Kriterien der Ästhetik beurteilt werden muss.
00:37:00: Das heißt nach Kriterien der Schönheit, der Komplexität, der Komposition und so weiter.
00:37:06: Ich finde, dann fällt dieses Werk unter den Grundgesetzartikel, der die Freiheit der Kunst verteidigt und garantiert.
00:37:18: und Deswegen aus genau diesen Gründen fand ich auch damals im Gegensatz zu großen Teilen der Literaturkritik sogar dieses Urteil für.
00:37:29: das wird für falsch.
00:37:32: Wenn man trotzdem nochmal fragt, nach der Wirkungsmacht dieses Urteils für die Arbeit von Verlagen, also nicht nur vielleicht bei euch bei Keep My Heart And Which, sondern auch in anderen Verlagen, würdest du sagen, man ist vorsichtiger geworden oder man ist akribischer geworden, hat man viel mehr Anwälter angestellt?
00:37:49: Also muss man viel mehr darauf achten, aha, die und die Figur trägt immer das Kleidungsstück, könnte sich darin wiedererkennen, ändert man das Kleidungsstück.
00:38:00: Ist man viel wachsamer?
00:38:02: Traurigerweise ist das so.
00:38:04: Traurigerweise muss man gewissermaßen im vorauseilender Betrachtung bei Romanen mit Autoren manchmal diese Gespräche führen, die darauf zielen, mögliche Kläger, mögliche Einwände, gewissermaßen.
00:38:23: zu thematisieren, bevor das Buch veröffentlicht wird.
00:38:26: Und dann sind es dann oft Diskussionen, bei denen es darum geht, wie weit ist ein Verlag bereit, auch Risiken einzugehen, wenn der Verlag davon überzeugt ist, dass es sich hierbei um einen Kurzwerk handelt.
00:38:39: Also wenn beispielsweise der Fischerverlag bei der Veröffentlichung der Bodenbrocks von Thomas Mann an die Lübecker Bürger gedacht hätte, die nach Veröffentlichung dieses Buches dann demonstriert haben in Lübeck und Kundgebungen abgehalten haben und Schriften überall in der Stadt aufgehängt haben gegen diesen bösen Autor, der die Stadt beleidigt hat.
00:39:03: Wenn man das schon von vornherein gewusst hätte, hätte der Verlag sagen müssen, lieber Thomas Mann, das wird gefährlich.
00:39:10: Wir lassen das lieber sein, weil dem Verlag jetzt vielleicht gerade finanziell nicht gut oder so.
00:39:15: Und wir können dir nicht garantieren, dass genügend finanzielle Mittel haben, um viele Instanzen vor Gericht durchzustehen, um dieses Buch durchzusetzen.
00:39:23: Also, leider sind diese Diskussionen plötzlich da und meine Erfahrung ist eben, je weniger ein Verlag sich mit einem Buch identifiziert als Kunstwerk und je weniger er auch die Macht hat, auch die finanziellen Möglichkeiten hat, juristisch dagegen zu halten, desto vorsichtiger.
00:39:46: ist er und das endet vielleicht auch hier und da mittlerweile damit, dass man dann im Autor sagt oder eine Autorin sagt, wir können das Buch nicht veröffentlichen.
00:39:54: Aber das halte ich für eben für einen dramatischen Rückschritt.
00:39:59: Tatsächlich versteht man sich als Verleger oder Verlegerin ja immer auch als ermöglicher oder ermöglicherin und nicht als Verhinderer von etwas.
00:40:07: Und das ist ja dann eine richtige Gratwanderung, auf die es dann ankommt, die richtigen Entscheidungen zu fällen.
00:40:13: Wie muss man sich das denn im Verlag vorstellen?
00:40:17: Herr Dresen von Random House, Penguin Random House, hat von juristischem Lektorat gesprochen im Gespräch.
00:40:25: nennt ihr das auch so oder weil?
00:40:26: Lektorat würde man immer sagen ist doch eine Sache des literarischen Lektorats.
00:40:31: also oder gibt es auch Treffen zu dritt dass man mit dem Anwalt, dem Lektor und dem Autor oder der Autorin zusammensitzt, oder geht man das nacheinander durch?
00:40:42: Wie muss man sich das vorstellen?
00:40:44: Wenn ich diesen Begriff höre, dann sträuben sich mir schon die Nackenhaare.
00:40:47: Also juristisches Lektorat, da denkt man ja, das ist eine Schreckensvorstellung.
00:40:52: Also, dass neben einem Lektor, der den Auftrag hat, mit dem Autor zusammen an der ästhetischen Struktur eines Textes zu arbeiten, um die literarische Qualität möglicherweise noch zu optimieren im Gespräch mit dem Autor, welche Wirkung haben, welche Sätze, welche Attektive, welche Handlungsstrukturen, Persönlichkeitsschilderung usw.
00:41:13: Wenn da plötzlich gleichgewichtig daneben ein Anwaltsitz, der sagt ja und im Übrigen aus den und den Gründen, muss dieser Satz anders formuliert werden und diese Figur muss anders geschildert werden.
00:41:26: Da kriege ich wirklich schon Pickel, muss ich sagen, wenn ich das höre.
00:41:30: Allerdings leider ist es in dem einen oder anderen Fall so, weil man ja in dieser Welt lebt, die jetzt auch, was die Rechtsprechung betrifft in diesem Land geprägt ist, eben von diesem Essereurteil, das eben Aushörkungen hat, auf die sich dann eben Kläger mittlerweile auch beziehen können.
00:41:46: Und das ist eben diese Gleichstellung, dass man sagt, eigentlich sollte ein Autor auf der einen Seite immer beachten, dass er ein möglichst komplexes, interessantes, ästhetisch, wie soll ich sagen, ästhetisches Werk erzeugt, dass den Leser unter Kunstgesichtspunkten überzeugt.
00:42:09: Und auf der anderen Seite sollte er gleichzeitig aber immer an all die denken, die möglicherweise aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen Einwände haben dafür, weil sie sich in literarischen Figuren und Handlungen wiedererkennen.
00:42:25: Stattdessen sollte man, das halte ich eben schon für einen, wie soll ich sagen, einen Rückschritt gegenüber einer Haltung, die die Freiheit des Kunstwerkes für höher stellt, wenn ein Text als Kunstwerk wirklich erkennbar ist.
00:42:39: Das ist das Entscheidende.
00:42:41: Das heißt, du würdest immer sagen, natürlich sind Anwälte, ist das Justizariat in einem Verlag wichtig, notwendig, aber... Ich nehme an, du würdest immer sagen, man muss ihn auch nicht die größere Rolle geben, also sozusagen, sonst kann man ja auch gar keine radikale oder grenzüberschreitende Literatur mehr bringen.
00:43:01: Für
00:43:01: mich arbeiten wir auch mit guten Anwälten zusammen und Gott sei Dank, gute Anwälte sind dann auch Anwälte, die eine Sensibilität haben für die künstlerische Seite eines Textes.
00:43:14: und diesen Punkt, der für den Verlag dominierend ist, auch voraussetzen für ihre Arbeit.
00:43:23: Und dann möglicherweise darauf hinweisen, wie hoch das Risiko ist bei der Veröffentlichung eines Buches.
00:43:33: Und wie gesagt, dann muss ein Verlag aus meiner Sicht mutig sein und Risiken eingehen, weil die Literatur als künstlerische Form des Umgangs mit Sprache, eine spezifische Form der Erkenntnisgewinnung ist, die nicht zu vergleichen ist mit Journalismus, mit wissenschaftlicher Kommunikation, mit politischer Kommunikation, sondern die eine eigenständige Form von Wahrheitsfindung darstellt.
00:44:02: Und wenn man daran glaubt und wenn man das für wesentlich hält, Und wenn man sagt, deswegen gibt es überhaupt literarische Verlage, weil es denen darum geht, diese Sicht auf die Welt zu unterstreichen und zu betonen, dann muss man daraus die Schlussfolgerung ziehen, möglichst Autorinnen und Autoren, die... in Gefahr geraten zu verteidigen und zu kämpfen und zu schützen.
00:44:28: Gibt es eigentlich Autoren oder Autorinnen, die man auch ermutigt, die etwas Extremes erlebt haben, dass sie als Literatur zum Kunstwerk machen wollen und die erst mal oder die man auch ermutigt, die Dinge erst mal genauso aufzuschreiben, wie sie waren mit den gleichen Namen, also dass man sozusagen als erster Schritt einer Produktion erst mal alles genauso quasi rauslässt, um es erst mal zu notieren, wie es war mit den Klarnamen und das dann erst schrittweise Veränderung, Verfremdung, Fikzionalisierung stattfindet.
00:45:03: Gibt es Autoren, die so arbeiten?
00:45:05: Das halte ich für einen falschen Ansatz, weil da steht schon im Hintergrund, wenn man so an das Thema herangeht, dass die Literarizität oder die Fiktionalität eigentlich in einer Art Versteckspiel ist.
00:45:20: Oder Zutat, die dann dazu
00:45:21: kommt.
00:45:22: Nur ein zusätzliches Kleid einer Geschichte, um zu verhindern, dass man dann z.B.
00:45:28: in juristische Problemlagen kommt.
00:45:30: Aber das ist nicht die Arbeit von Schriftstellern, sondern ein künstlerischer Prozess ist ein anderer, als eine Autobiografie zu schreiben, ein autobiografisches Buch über sich selbst.
00:45:46: Das ist auch eine Form, nicht der Beledrissig, sondern eine Form des Schreibens, die absolut legitim ist und die aber eben in einer anderen, sagen wir mal, Seinssphäre sich bewegt als ein Roman.
00:46:03: Und diese Trennung, die ist eben wichtig und die muss man im Blick behalten, wenn jemand sagt, ich habe Hier eine Autobiografie geschrieben und im zweiten Kapitel berichte ich darüber, wie sehr mich mein Ehemann sexuell missbraucht hat und über ihre Tiefsphäre auspackt, ohne das gewissermaßen Belege und ohne das irgendwie die Sicherheit da ist, dass das stattgefunden hat.
00:46:35: Dann in der Tat muss der Verlag ganz besonders darauf hinweisen.
00:46:40: dass das unter Umständen justizierbar ist und das dann eben nach anderen Kriterien dieser Text beurteilt werden muss.
00:46:47: Aber das ist dann Autobiografischartext, eine Reportage, journalistischer Text usw.
00:46:53: Das kennst du ja aus deiner Arbeit.
00:46:55: Da muss man gegenchecken, muss man bei allen Formen von Recherche, muss man Techniken anwenden, das Gegenchecks usw.
00:47:07: um möglichst diese Gefahren zu umgehen.
00:47:10: Aber wie gesagt, das ist ein anderer Vorgang.
00:47:13: Vielleicht eine letzte Frage.
00:47:14: Inwiefern gibt es für dich noch auch die Hoffnung oder auch die Erwartung vielleicht, dass das äsere Urteil eines Tages revidiert wird?
00:47:22: Oder glaubst du daran nicht mehr?
00:47:26: Ja, es gibt ja verschiedene Formen, die ja, wie soll ich sagen, verschiedene Formen des geschichtlichen Verlaufs von Buch verboten.
00:47:36: Also beispielsweise Klaus Manns Mephisto, also einen Roman, von dem er dann immer gesagt hat, der beschreibt das Leben
00:47:45: dieses
00:47:46: großen Regisseurs und Intendanten, Gustav Gründkens.
00:47:52: Das ist ja auch vom Bundesverfassungsgericht verboten worden.
00:47:57: Im Jahr nanns hat er einen Siebzig, war
00:47:58: das glaube ich.
00:47:59: Genau, und irgendwann hat der Verlag dann das Buch trotzdem wieder gedruckt und es ist auch nichts passiert, weil wenn kein Kleger da ist, dann ist auch keine Klage da.
00:48:11: Das hat einfach damit auch zu tun gehabt, dass sich dann die Situation im Verhältnis zu dem Moment des Verbots aus vielen Gründen geändert hat.
00:48:23: Und ich hoffe, dass das bei Esra auch der Fall ist.
00:48:26: Ich bin der Meinung auch deswegen, weil der Roman Esra von Maxim Biller so ein außergewöhnlich gutes Buch ist in seinem Gesamtwerk, einer seiner besten Romane.
00:48:37: dass dieses Buches verdient, irgendwann wieder auch legal gelesen zu werden.
00:48:44: Im Augenblick kann man es sich sicher auch, wenn man es unbedingt will, irgendwie besorgen.
00:48:49: Es gibt ja auch Übersetzungen des Buches in verschiedenen Sprachen, in Ländern, in denen dieses Bundesverfassungsgericht Orgel da nicht gilt.
00:48:58: Es wird irgendwann auch einen Moment geben, finde ich, wo man deswegen auch noch mal neu als Verlag überlegen muss, ob eigentlich die Bedingungen, die damals zum Verbot geführt haben, jetzt überhaupt noch gegeben sind.
00:49:10: Und vielleicht wird dann der Punkt kommen, wo man das Buch auch wieder in der Buchhandlung und nicht nur unterm Ladentisch
00:49:18: bekommt.
00:49:19: Ja, wir sind gespannt.
00:49:21: Bei der Frage, welche Rolle spielen die Anwälte in den Verlagen seit dem SRAU Urteil, würde ich für dich festhalten, dass du dich eigentlich weiter dagegen wehrst oder gewährt hast, denen eine größere Rolle zu geben, als ihn zusteht und die Literatur soweit es geht zu verteidigen in ihrer
00:49:40: Konstruktion.
00:49:40: Das ist kein voraus eilendes Gehorsam gegenüber.
00:49:45: einer, sagen wir, kunstfeindlichen Haltung, die sich leider in der Gesellschaft breit gemacht hat.
00:49:51: Das hat übrigens einen kleinen Nebenpunkt noch, das hat natürlich auch zu tun mit gesellschaftlichen politischen Entwicklungen in unserem Land, denn wir leben mittlerweile in einer Zeit, das zumindest meine Beobachtung, in der die Autonomie von Kunst sowohl von rechts als auch von links nicht mehr im selben Maße akzeptiert wird und eingehalten wird und gewürdigt wird, wie das Mal der Fall war.
00:50:16: Heute wird Kunst, werden Bilder, Filme, Romane viel mehr unter dem Gesichtspunkt beurteilt und gewürdigt oder kritisiert, ob sie bestimmten politischen Zielen und politischen Vorstellungen der eigenen jeweiligen Gruppe entgegenkommen oder nicht entgegenkommen, ob sie moralisch gerechtfertigt sind, ob sie nicht.
00:50:38: dem nationalen Interesse eines Landes dienen, ob sie woken Vorstellungen von Gendergerechtigkeit die voranbringen oder nicht voranbringen.
00:50:50: Aber das sind alles außer literarische Kriterien, bei denen es gefährlich ist, die zum Maßstab für ästhetische Urteile heranzuziehen.
00:50:59: Und das hat sich im Verhältnis zu Vergangenheit, glaube ich, schon verändert und deswegen ist die Die Gefahr für die Autonomie der Kunst heute noch größer, als es mal in der Vergangenheit war.
00:51:13: Ein Plädoyer für die Kunstfreiheit von Helge Malcho.
00:51:16: Vielen, vielen Dank, dass du hier bei uns im Studio warst.
00:51:22: Es mag sein, dass Anwälte immer öfter in literarische Produktionen involviert sind.
00:51:26: Darüber sollten wir das, was Literatur ausmacht, aber nicht aus dem Blick verlieren.
00:51:31: Wir sind am Ende dieser Sonderfolge des Bücher-Podcasts angekommen.
00:51:35: Wenn Sie Nachfragen, Anmerkungen, Beschwerden oder Lob haben, erreichen Sie uns unter der Adresse bücher-podcast etfaz.de.
00:51:46: Bei Instagram heißen wir etfazbücher.
00:51:50: In der nächsten Folge begrüße Sie an dieser Stelle mein Kollege Kai Spahnke.
00:51:54: Bei ihm geht es um ein Buch, das im Surgkampferlag erschienen
00:51:58: ist,
00:51:59: die Verkrempelung der Welt zum Stand der Dinge des Alltags, ein Gespräch mit dem Autor und Unternehmer Gabriel Joran.
00:52:07: Ich danke David Brucklacher und Kevin Gremmel für die Produktion dieser Folge
00:52:12: und ihnen,
00:52:13: liebe Hörerinnen und Hörer fürs Zuhören.
00:52:15: Bis dann.
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